„Welch ein Schmerz der Auserkornen, da sie sah den Eingebornen, wie er mit dem Tode rang. Angst und Jammer, Qual und Bangen, alles Leid hielt sie umfangen, das nur je ein Herz durchdrang. Ist ein Mensch auf aller Erden, der nicht muss erweichet werden, wenn er Christi Mutter denkt, wie sie, ganz von Weh zerschlagen, bleich da steht, ohn alles Klagen, nur ins Leid des Sohns versenkt?“So eine deutsche Fassung aus dem 19. Jahrhundert zweier Strophen des mittelalterlichen „Stabat Mater“ („Stand die Mutter“). In den meisten Kreuzesdarstellungen steht der Jünger Johannes in der Nähe der trauernden Maria, auf manchen Bildern hält es sie im Arm. Es muss jemand da sein. Für den ist es nicht leicht: Tatsächlich empfindet man Trauer mit, sogar die, zu der man keinen persönlichen Bezug hat. Alles Leid der Erde kann einen bewegen. Alles Leid der Erde konzentriert sich für mich am Kreuz. Hier sehe ich, dass Christus es getragen hat und trägt, dass das Leid nicht außerhalb von Gott ist. Das hilft mir, meinen Teil der Trauer zu tragen. Noch einmal Rico, eine Seite weiter: „Man rüttelt noch mal kurz etwas kräftiger mit der Hand auf der Schulter […] und macht so einen Ton – `Hm?´ – was natürlich nichts anderes bedeutet als Und jetzt?, worauf der Mitgefühlsempfänger zum Beispiel auch so einen Ton macht wie – `Mhm.´ – und man sagt: `Gut. Dann los. Du musst dich nicht schämen, es wird alles viel besser, wenn man sein Herz geöffnet und drüber geredet hat.´ Jeder weiß das. Aber manche Leute muss man an und zu daran erinnern.“ Besser könnte ich den Sinn der Passionszeit, der Zeit, die an den Weg Jesu bis zum Tod erinnert, gerade nicht beschreiben: sich erinnern, mitgehen, mittragen. Pfrn. Renate Kersten
„Wenn einer weint, legt man ihm eine Hand auf die Schulter oder wo gerade Platz ist. Man wartet still und zählt bis ungefähr zwanzig. Dann bewegt man seine Hand ein ganz kleines bisschen, aber wirklich nur ein bisschen, und sagt: `Besser?´“ So erklärt Rico im Buch „Rico, Oskar und das vom Himmelhoch“ (von Andreas Steinhöfel, Carlsen-Verlag, S. 169), wie man sich verhalten sollte, wenn jemand weint.
Mit Trauer umgehen, das muss man lernen. Mit der eigenen Traurigkeit und mit der anderer. Es ist gut, wenn jemand da ist, in der Nähe, aber auch wieder nicht zu nah, wenn der oder die andere nichts sagt, nicht ganz gar nichts, aber auf jeden Fall keine „Kopf-hoch!“-Sprüche. Denn was geschehen ist, ist geschehen, und es wird erst einmal nicht besser. Es ist gut, wenn man Menschen findet, die in der Trauer mit einem gehen. In traurigen Zeiten fällt mir die Traurigkeit anderer stärker auf, auch in Liedern und Musik, in Geschichten, die mir begegnen. Seit Jahrhunderten hat die Zeit bis zum Karfreitag diesen Charakter. Jesus, der so gern gefeiert hat, ging seinen letzten weg. Unfassbar für die, die mit ihm gingen.